Neuer Weiterbildungskurs Medizinisch-Taktile Untersucherin (MTU) ab April 2023 an der discovering hands Akademie Berlin – BBSB-Inform – 21.02.2023
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Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Inklusions-Unternehmen discovering hands bildet für den medizinischen Assistenzberuf aus und bietet eine sichere und langfristige Jobperspektive. MTU verbessern dank ihres hervorragenden Tastsinns die Brustkrebs-Früherkennung in Arztpraxen und Kliniken.
„Ich habe meinen Traumberuf gefunden“, sagen viele Medizinisch-Taktile Untersucherinnen. Sie können sich reichlich Zeit für jede Patientin nehmen und sie in einer persönlichen Atmosphäre gründlich untersuchen. Und ihnen dank ihres hochsensiblen und trainierten Tastsinns sogar das Leben retten: Qualifizierte MTUs ertasten winzige Gewebeveränderungen in der Brust schon ab 5 Millimetern Größe. Fast immer sind diese Befunde harmlos. Aber wenn es sich um Brustkrebs handelt, sind sehr früh aufgespürte Tumore noch so klein, dass die Krankheit in den allermeisten Fällen heilend behandelt werden kann. Lebensbedrohlich sind nämlich erst die Metastasen, nicht der Tumor in der Brust.
Die bisher etwa 50 ausgebildeten MTU arbeiten deutschlandweit in Voll- oder Teilzeit im Team mit Fachärzt:innen. Auf der Grundlage des MTU-Befundes stellt die verantwortliche Ärztin oder der Arzt jeweils die Diagnose, daher kooperiert discovering hands mit Arztpraxen und Kliniken. MTUs beraten zudem als Expertinnen für Brustgesundheit jede ihrer Patientinnen individuell.
Am Ende dieses Textes stellen sich zwei MTUs in Interviews vor. Zunächst geht es aber um die Ausbildung zur Medizinisch-Taktilen Untersucherin.
Wer discovering hands ist:
Das Inklusionsunternehmen bildet blinde und stark sehbehinderte Menschen, die über einen sehr sensiblen Tastsinn verfügen, zu Medizinisch-Taktilen Untersucher:innen aus und bietet ihnen anschließend eine wohnortnahe, sichere und langfristige Jobperspektive in Frauenarztpraxen oder Kliniken. Im MTU-Qualifizierungskurs wird die Tastfähigkeit weiter trainiert, so dass ausgebildete MTU kleinste Gewebeveränderungen in der Brust aufspüren können. Damit verbessern sie die Brustkrebsfrüherkennung entscheidend. Mit der von discovering hands entwickelten Untersuchungsmethode, der Taktilen Brustuntersuchung (TBU), ertasten MTU erwiesenermaßen bis zu 30 Prozent kleinere Gewebeveränderungen als Ärzte oder Ärztinnen bei der Routineuntersuchung.
Wie die MTU-Qualifizierung verläuft:
Das Erlernen der speziellen Tastmethodik steht im Mittelpunkt der zehnmonatigen Qualifizierung. Zu den Lerninhalten gehören Wissen zu Aufbau, Funktion und Erkrankungen der weiblichen Brust sowie Grundkenntnisse über diagnostische und therapeutische Methoden. Außerdem geht es um medizinische Fachterminologie, Hygiene und kommunikative Kompetenzen, die wichtig für den Umgang mit den Patient:innen sind. An die sechs bis sieben Monate der Qualifizierung schließt sich ein dreimonatiges Praktikum in einer dem Wohnort nahen gynäkologischen Praxis oder Klinik an. Nach der bestandenen Zertifikatsprüfung werden die MTU in die Festanstellung bei discovering hands übernommen und arbeiten im Umfeld ihres Wohnorts.
Finanzierung als berufliche Reha-Maßnahme oder mit Stipendium:
Die Ausbildung zur MTU ist als berufliche Rehabilitationsmaßnahme AZAV-zertifiziert. Im Rahmen eines Antrags auf berufliche Teilhabe kann sie von den zuständigen Kostenträgern (z.B. Agentur für Arbeit oder Deutsche Rentenversicherung) finanziert werden. Sollte kein Anspruch auf eine berufliche Reha-Maßnahme bestehen, ist ein Stipendium möglich. Jede geeignete Bewerberin hat somit die Möglichkeit auf eine Übernahme der Kosten für die Weiterbildung.
Stipendiengeförderter MTU-Kurs, Start: 17. April 2023
Fakten im Überblick:
• Finanzierung der Kursteilnahme inkl. Lebenshaltungskosten durch ein Stipendium
• Gesamtdauer der Qualifizierung: 10 Monate
• 7 Monate Unterricht in Vollzeit
• anschließend 3 Monate heimatortnahes Praktikum in einer gynäkologischen Praxis oder Klinik
• nach einer sechswöchigen Anwesenheitsphase zu Beginn des Kurses, findet der Unterricht dann im zweiwöchigen Wechsel als Präsenzunterricht und koordinierter online-Unterricht von zuhause aus statt
Kooperationspartner bei der Qualifizierung ist das Sehförderzentrum (SFZ) in Berlin.
Was discovering hands bietet:
• ein konkurrenzfreies Tätigkeitsfeld (Sehende Bewerber:innen sind nicht zugelassen)
• garantierte, unbefristete Festanstellung im Anschluss an die Qualifizierung
• monatlich Vergütungen in Höhe von ca. 2100 Euro (Vollzeit) plus mögliche Prämien
• Teilzeitverträge ab 16 Wochenstunden möglich
• eine herausfordernde, vielseitige und verantwortungsvolle Tätigkeit
• regelmäßiger Austausch mit anderen MTU
Aufgaben als MTU:
• Abtasten der weiblichen Brust nach einem von discovering hands entwickelten, standardisierten und qualitätsgesicherten Tastverfahren (Taktile Brustuntersuchung, TBU)
• Gespräche zur Krankheitsgeschichte von Patientinnen sowie Beratung zum Thema Brustgesundheit
• Anleitung der Patientinnen zur Taktilen Selbstuntersuchung
• digitale Dokumentation von Befunden und deren Weitergabe an den behandelnden Arzt o. Ärztin
Das sollten Interessent:innen mitbringen:
• Blindheit bzw. starke Sehbehinderung
• einen ausgeprägten Tastsinn
• Hauptschulabschluss oder gleichwertiger Abschluss (z.B. abgeschlossene Berufsausbildung)
• Interesse an einer Tätigkeit im medizinischen Bereich (Vorkenntnisse nicht erforderlich)
• Freude am Umgang mit Menschen
• gutes Einfühlungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit
• deutsche Sprachkenntnisse mindestens auf Niveau B2 (Zertifikat notwendig)
• gute PC-Kenntnisse
• Mobilität
Herzliche Einladung!
Wer einen ersten Einblick in den MTU-Beruf erhalten möchte, ist eingeladen, sich bei discovering hands persönlich beraten zu lassen und sich bei Interesse zu einem der regelmäßig stattfindenden Eignungserprobungen anzumelden.
Kontakt:
Telefon: 02 08 30 99 61 56
E-Mail: mtu(at)discovering-hands.de
Web: https://www.discovering-hands.de/ueber-uns/mtu-ausbildung.
Interview mit Christine Kanetzki, MTU seit 2014
Wie sind Sie zum Beruf der Medizinisch-Taktilen Untersucherin gekommen?
Zunächst besuchte ich die Blindenschule, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und mein Wirtschaftsabitur. Ich wohne mit meinem Lebensgefährten, drei Kindern und vielen Tieren auf einem Bauernhof und war dort immer voll im Einsatz. Als ich von discovering hands erfahren habe, war ich sofort sehr interessiert. Medizinisch-Taktile Untersucherin, ein Beruf, den nur blinde und stark sehbehinderte Frauen ausüben können, um anderen Frauen zu helfen, das fand ich toll. Meinen hochsensiblen Tastsinn in der Brustkrebsfrüherkennung einsetzen zu können, diese Idee hat mich überzeugt: Trotz, ja gerade wegen meiner Behinderung kann ich eine absolut sinnvolle Aufgabe auf dem ersten Arbeitsmarkt übernehmen, die sehende Menschen nicht erbringen können. Endlich schien meine Behinderung kein Ausschlusskriterium für einen Job zu sein, sondern die Voraussetzung! Ich habe mich bei discovering hands gemeldet, die Eignungserprobung, also das Assessment, erfolgreich bestanden und 2013 mit der Qualifizierung begonnen.
Was gefällt Ihnen am besten am Beruf der Medizinisch-Taktilen Untersucherin?
Das Schönste an meinem Beruf ist, dass ich so viel Zeit für meine Patientinnen habe und sie durch die regelmäßige Früherkennung gut versorgt weiß. Ich bin ihre Ratgeberin und kann ihnen Sicherheit geben, auch weil ich mich laufend fortbilde. Sie bringen mir viel Vertrauen entgegen und sind froh, dass es diese Früherkennungsmethode gibt, in der ich nur meine Hände einsetze und keine Apparate. Teil eines Praxisteams zu sein, ist auch schön. In diesem Beruf bin ich nicht die „Behinderte“, sondern eine anerkannte und eigenständig arbeitende Fachkraft. Die allermeisten Gewebeveränderungen, die ich taste, erweisen sich als harmlos. Aber wenn ich einen bösartigen Tumor in einem sehr frühen Stadium taste, erspare ich der Patientin damit einen langen Leidensweg.
Wie sieht Ihre langfristige Perspektive im MTU-Beruf aus?
Dieser medizinische Assistenzberuf ist konkurrenzlos für blinde und sehbehinderte Menschen und garantiert ihnen die Teilhabe auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ich bin fest und unbefristet bei discovering hands angestellt, kann den Job also bis zur Rente machen, mich weiter fortbilden und habe ein sicheres Einkommen. Das Sozialunternehmen „verleiht“ mich per Arbeitnehmerüberlassung an Frauenarztpraxen, in denen ich jeweils feste Einsatztage habe. Ich freue mich über jede neue Patientin, die die TBU für sich entdeckt und so in der Brustkrebsfrüherkennung auf Nummer sicher geht. Ich habe meinen idealen Beruf gefunden.
Interview mit Antje Schwarz, MTU seit 2021.
Wie haben Sie von discovering hands erfahren?
Ich bin mit einer extremen Kurzsichtigkeit geboren und konnte als Bürokauffrau arbeiten, bis ich 37 war. Dann setzte ein etwa zehnjähriger Prozess der Erblindung ein. Als ich meinen alten Beruf nicht mehr ausüben konnte, habe ich die Chance ergriffen. Da ich schon immer medizinisch interessiert war, habe ich mich sehr gefreut, MTU werden zu können. Das Stipendium der Deutschen Postcode Lotterie hat mir die Ausbildung ermöglicht – dafür bin ich äußerst dankbar!
Was haben Sie in der Ausbildung zur MTU gelernt?
In der Theorie geht es um den biologischen Aufbau der Brust und medizinische Fachbegriffe. Die müssen wir im Austausch mit den praktizierenden Ärzten einfach draufhaben. Das Tasten haben wir zunächst an Tastmatten geübt. Später tasten wir unter anderem an Gelkissen, in denen kleine Fremdkörper versteckt sind, im Praktikum dann an Menschen.
Wie läuft eine Taktile Brustuntersuchung ab?
Ich führe ein Vorgespräch mit der Patientin und fülle den Anamnese-Bogen aus. So erhalte ich bereits ein gutes Bild, ob ein erhöhtes Krebsrisiko besteht. Vor der Untersuchung klebe ich den Frauen spezielle haptische Streifen auf die Brust, anhand derer ich mich während des systematischen Tastens in drei Tiefenschichten orientieren kann, um keinen Zentimeter der Brust auszulassen. Eine Untersuchung inklusive der Lymphregionen dauert je nach Brustgröße bis zu 60 Minuten. Die Patientin kann mir währenddessen individuelle Fragen stellen und ich berate sie zur Brustgesundheit.
Wie fühlt sich eine Brust an?
Jede Brust hat ein individuell angelegtes Drüsengewebssystem. Je weicher das Bindegewebe und je älter die Frau ist, desto klarer spüre ich die einzelnen Drüsenstrukturen. Mit meinen Fingerspitzen untersuche ich diese auf Veränderungen. Diese sind oft harmlos, wie etwa Zysten, können aber auch bösartig sein. Meinen Befund gebe ich dem verantwortlichen Arzt für seine Folgeuntersuchung weiter. Die abschließende Diagnose stellt er.
Was gefällt Ihnen besonders gut am Beruf der MTU?
Ich helfe Menschen und lerne interessante Frauen kennen. Während der Untersuchung habe ich Zeit, spannende Gespräche zu führen. Eine intime Atmosphäre kann entstehen. Einigen Frauen hilft es wohl zu wissen, dass ich sie nicht sehen kann.
Wie hat sich Ihr Leben durch die Qualifizierung zur MTU verändert?
Ich stehe wieder voll im Leben und übe einen einzigartigen Beruf aus, in dem ich meine Behinderung zu einer speziellen Begabung umwandle. Wir MTU können Frauen – und auch Männern – durch früh ertastete, sehr kleine Tumore im besten Fall das Leben retten. Und wir zeigen der Gesellschaft, dass Menschen mit Behinderung nicht bemitleidenswert sind, sondern besondere Gaben haben. Blinde Menschen wollen und können – wie alle Menschen mit Behinderung – genauso am Leben teilhaben wie jeder andere!
Ihr BBSB-Inform
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