Förderung durch Anneliese-Willisch-Fond ermöglicht zwei Studierenden Auslandssemester
Musik erweitert den Horizont – Mithilfe des Anneliese-Willisch-Fonds eröffnen sich für zwei junge Studierende durch finanzielle Unterstützung neue Möglichkeiten im Auslandsstudium/ Gefördert durch den Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V.
Für Jana Gren und Boran Colak hat sich der Traum eines Auslandsstudiums erfüllt. Dies ist insofern besonders, denn beide sind seit Geburt an blind und hochmusikalisch. Die gemeinsame Basis ihrer unterschiedlichen Lebenswege bildet dabei das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg (BBS), die einzige Schule in Deutschland, in der blinde und sehbehinderte SchülerInnen professionell musikalisch unterrichtet werden. Möglich wurden die Auslandssemester des Musikstudiums durch das Erasmus-EU-Förderprogramm und durch die Zuwendungen aus dem Anneliese-Willisch-Fond.
Mit Jana Gren und Boran Colak sind zwei musikalisch hochbegabte junge blinde Menschen aus diesem Fonds unterstützt worden. Jana Gren, die unter anderem acht Sprachen spricht, hat nach der Berufsfachschule für Musik im finnischen Karis in der Musik- und Sprachakademie ihren Weg fortgesetzt. Als Praktikantin in der Musik- und Sprachakademie Lårkkulla (Finnland) wendete sie dort ihr musikalisches Wissen an und sammelte praktische Erfahrungen im Unterricht sowie in der Leitung von Ensembles. Dass sie dort noch zusätzlichen Kompositionsunterricht nehmen konnte, wurde durch die Förderung des Anneliese-Willisch-Fonds ermöglicht. Selbstverständlich war für Jana, dass sie auch die finnische Sprache erlernt. Dies hat sie in nur zwei Monaten Selbststudium erreicht und freut sich, dass sie sich auf Finnisch mitteilen und unterhalten kann. Jana Gren überzeugte in der Aufnahmeprüfung Direktor Juani Jännti und das Kollegium durch ihr außergewöhnliches Talent. Berührungsängste mit blinden Menschen gibt es an dieser Ausbildungsstätte keine, denn in den letzten 30 Jahren wurden über zehn blinde Studierende ausgebildet. Das EU-Programm Erasmus+ für Bildung, Jugend und Sport übernahm die Kosten für die Begleitassistenz. „Der zusätzliche Kompositionsunterricht, der ohne die Förderung des Anneliese-Willisch-Fonds nicht möglich gewesen wäre, war für mich das Tüpfelchen auf dem I“, erklärt Jana Gren freudestrahlend.
Aber die Erfolgsgeschichte von Jana ist noch nicht zu Ende. Im Mai 2022 beendete sie ihr Praktikum und nun möchte sie ab August dieses Jahrs ein weiteres halbes Jahr in Finnland verbringen, um sich auf das Studium als Kompositions-Pädagogin an der Universität Tampere, das sie dort anstrebt, vorzubereiten. Die bewilligten weiteren 4 000 Euro aus dem Anneliese-Willisch-Fond fließen in die Begleitassistenz.
Boran Colak hingegen konnte 2020 durch ein Stipendium aus dem Anneliese-Willisch-Fond in Lugano am Conservatorio della Svizzera italiana zwei Semester Klavier mit Konzertimprovisation studieren. Im Kurs von Calina Vracheva war er der einzige blinde Student. Umso bemerkenswerter ist, dass er diesen Kurs mit Bestnote absolvierte. „Für mich war dieses Stipendium ein großer Schritt, meine Träume als Musiker zu verwirklichen. Mein ganzes Denken über Musik hat sich durch die Improvisation geändert. Ich spiele auch klassische Stücke von Beethoven oder Chopin inzwischen ganz anders“, sagt Boran Colak.
Boran hat das absolute Gehör und hat bereits im Alter von drei Jahren begonnen, Klavier zu spielen. So konnte er schon in jungen Jahren Melodien, die er hörte, sofort auf dem Klavier nachspielen. Der vielseitige junge Mann ist dabei vielfältig aufgestellt. Ob Klassik, Pop, Jazz und Rock – ihm macht einfach alles Spaß, was mit Musik zu tun hat. Sein Weg hat ihn zwischenzeitlich zum Studium der Musik nach Karlsruhe geführt. Hier genießt er sein Studentenleben in vollen Zügen und wird dort sein Studium mit Bachelor abschließen. Glücklich ist er natürlich darüber, dass inzwischen auch wieder Auftritte mit Publikum möglich sind. Er spielt in der Big Band der Hochschule Klavier und hat in Karlsruhe immer wieder Live-Auftritte.
Diese beiden jungen Menschen strahlen so viel Lebensfreude und Willen zum Erfolg aus. Dennoch ist es für blinde Menschen nach wie vor nicht einfach, ihren Talenten zu folgen. „Häufig haben Universitäten nicht den Mut, blinde Musiker zu unterrichten“, sagt Boran. Jana ergänzt, dass auch die Beschaffung geeigneter Noten oft nicht einfach ist. Dennoch setzen beide ihren Weg, Musik zu ihrem Beruf zu machen, zielstrebig fort.
Der Anneliese Willisch-Fond für blinde und sehbehinderte Menschen
Anneliese Willisch, geboren am 6. Mai 1928, gestorben am 11. Juni 1998 in Nürnberg, hat den Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund zum Erben eingesetzt. Die Erträge aus dem Nachlass sollen nach ihrer letztwilligen Verfügung wie folgt verwendet werden: „Gefördert werden sollen Blinde und Sehbehinderte, die mit begründeter Aussicht auf Erfolg und bei überdurchschnittlichen Leistungen einen mittleren Bildungsabschluss, die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife oder einen mit diesen Qualifikationen erreichbaren Abschluss und/oder die Ausübung eines gehobenen Berufes anstreben. Förderbar sind alle für die Erreichung des Zieles zweckdienlichen Aufwendungen, soweit diese durch Blindheit oder Sehbehinderung entstehen, aus öffentlichen Mitteln nicht gedeckt und von den Betroffenen bzw. von deren Unterhaltsverpflichteten bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht aufgebracht werden können.“
Bildrechte © privat/Jana Gren/Boran Colak
Pressekontakt
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Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB)
Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB) ist die Selbsthilfeorganisation der mehr als 100.000 blinden, sehbehinderten und zusätzlich gehandikapten Menschen in Bayern. Er vertritt ihre Interessen gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Ziel des BBSB e.V. ist es, blinden und sehbehinderten Menschen ein selbstbestimmtes und möglichst selbstständiges Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. In zehn Blickpunkt Auge-Beratungsstellen bietet der BBSB e.V. wohnortnahe Hilfen an – dazu gehören der ambulante Reha-Dienst mit Schulung in selbständiger Haushalts- und Lebensführung, sozialrechtliche Beratung, individueller Textservice, berufliche Rehabilitation, Austausch mit Gleichbetroffenen, Freizeit und Fortbildung.