Tag der Menschen mit Behinderung: BBSB plädiert für Geduld und Rücksicht für blinde und sehbehinderte Menschen während der Pandemie
3.12.2020 – Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung
Plexiglas-Scheiben stellen neue Barrieren dar, Masken behindern die Kommunikation und der persönliche Kontakt fehlt: Blinde und sehbehinderte Menschen haben zusätzliche Schwierigkeiten in der Pandemie. Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. möchte zum Tag der Menschen mit Behinderung für diese Situation sensibilisieren.
„Plötzlich ist da eine Plexiglas-Absperrung beim Bäcker, erschrocken bin ich dagegen gerumpelt“, erzählt die vor 34 Jahren erblindete Margit Giegerich. „Mich verunsichert es, wenn ich nicht weiß, ob tatsächlich alle Personen im Raum eine Maske tragen,“ sagt Aleksander Pavkovic, Mitarbeiter beim BBSB und seit seiner Geburt blind. „Ich gehe weniger raus und fahre nicht mehr gerne mit öffentlichen Verkehrsmitteln, weil es schwierig ist, Mindestabstände einzuhalten“, berichtet die ebenfalls blinde Patricia Formisano-Schmitz.
Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund hört täglich davon, mit welchen Schwierigkeiten blinde und sehbehinderte Menschen in der Pandemie zu kämpfen haben. „Natürlich wissen wir, dass die allermeisten Menschen aktuell große Probleme haben. Aber wir glauben, dass blinde und sehbehinderte Menschen mehr Geduld und Rücksicht brauchen, damit sie im Alltag zurechtkommen. Das muss nicht kompliziert sein: Sie können Ihnen ganz einfach sagen: ‚Hier ist das Ende der Schlange‘. Oder Sie können einen Desinfektionsmittelspender zeigen“, sagt Steffen Erzgraber, Landesgeschäftsführer Verbands- und Sozialpolitik.
Soziale Kontakte
„Am meisten vermissen unsere Mitglieder in der Corona-Krise die Begegnungsnachmittage und den regelmäßigen Austausch mit Menschen, die in der gleichen Situation sind,“ sagt Annette Diessner, Beraterin in der Sozialabteilung Schwaben. „Ehrenamtliche halten den Kontakt telefonisch aufrecht. Das ist sehr wertvoll“, ergänzt sie. „Besonders zu schaffen macht uns, dass wir die blinden und sehbehinderten Menschen in den Alten- und Pflegeheimen nicht mehr besuchen dürfen,“ sagt Frank Nohr, Leiter der Bezirksgruppe Mittelfranken. „Von heute auf morgen war uns der Kontakt, den wir teilweise schon seit Jahren zu den Älteren haben, nicht mehr gestattet.“
Informationsbedarf der Ratsuchenden zu Corona verändert sich
„Gerade während der Pandemie und sozialer Distanz ist unsere Arbeit wichtig“, meint Erzgraber. „Denn Menschen werden trotz Corona immer noch blind oder haben alte oder neue Fragen wegen ihrer Sehbehinderung.“ Zu Beginn der Pandemie waren die Beratungsgespräche geprägt von Unsicherheiten zur Ansteckungsgefahr durch COVID-19. Die Medienberichterstattung hat die Ängste verstärkt, da viele Ratsuchende beim BBSB durch ihre Grunderkrankung oder ihr Alter zur Risikogruppe gehören. In der zweiten Welle wird deutlich, dass die Betroffenen gelernt haben, besser mit den Risiken umzugehen. Nun drehen sich die Fragen oft um Fragen wie: Raten Sie mir trotz Infektionsrisikos zum Arztbesuch? Soll ich die OP wegen Corona verschieben oder wirkt sich ein Aufschub negativ auf meine Augen aus?
Sozialberatung: Die Sozialabteilungen des BBSB verzeichnen in diesem Jahr keinen Rückgang der Fallzahlen. Die Beratungen können telefonisch stattfinden, da beispielsweise Widersprüche gegen Bescheide in Pflegeverfahren auch so abgesprochen und geplant werden können. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die An-gehörigen noch besser in die Beratung einbezogen werden können, weil sie wegen Homeoffice oder Kurzarbeit mehr Zeit haben, sich zu kümmern.
Reha-Dienst: In der Rehabilitation sieht das anders aus. Hausbesuche sind hier weiterhin notwendig, denn die Reha richtet sich an Menschen, die vor kurzem erblindet sind oder unter zunehmender Sehbehinderung leiden. Tätigkeiten wie Kochen, Waschen oder Gehen mit dem Blindenlangstock können nicht am Telefon erklärt werden. Die Hausbesuche finden natürlich unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln statt.
Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung
Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen findet jedes Jahr am 3. Dezember statt. Er ist ein von den Vereinten Nationen ausgerufener Aktionstag, der die Öffentlichkeit für die Probleme von Menschen mit Behinderung sensibilisieren und den Einsatz für die Würde, Rechte und das Wohlergehen dieser Menschen fördern soll. Er wurde im Jahr 1993 das erste Mal begangen.
Pressekontakt
Gundhild Heigl
Leitung Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising
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Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB)
Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB) ist die Selbsthilfeorganisation der mehr als 100.000 blinden, sehbehinderten und zusätzlich gehandikapten Menschen in Bayern. Er vertritt ihre Interessen gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Ziel des BBSB e.V. ist es, blinden und sehbehinderten Menschen ein selbstbestimmtes und möglichst selbstständiges Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. In zehn Blickpunkt Auge-Beratungsstellen bietet der BBSB e.V. wohnortnahe Hilfen an – dazu gehören der ambulante Reha-Dienst mit Schulung in selbständiger Haushalts- und Lebensführung, sozialrechtliche Beratung, individueller Textservice, berufliche Rehabilitation, Austausch mit Gleichbetroffenen, Freizeit und Fortbildung.