Inklusive Bildung für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler in Bayern
Positionspapier des BBSB e. V.
Ausgangslage
Blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler sind auf Förderung durch sonderpädagogische Fachkräfte angewiesen: Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben wir in Bayern das Wunsch- und Wahlrecht beim Schulbesuch. Viele Familien entscheiden sich für den in-klusiven Weg. Im Alltag dieser Kinder und Jugendlichen zeigt sich, dass der Weg nur dann erfolgreich verläuft, wenn eine bedarfsgerechte Unterstützung durch Förderschullehrerinnen und Förderschullehrer mit dem Förderschwerpunkt Sehen erfolgt (MSD-Lehrkräfte).
Wo brauchen die Betroffenen diese Unterstützung?
Hier sollen nur wenige exemplarische Beispiele herausgegriffen werden: Allen Situationen ist gemein, dass zwar Hilfsmittel, besondere Methoden und Tech-niken für all diese Situationen zur Verfügung stehen, der Umgang mit ihnen aber einen sonderpädagogischen Hintergrund erfordert.
- Menschen, die ohne oder mit geringem Sehvermögen lernen, nutzen viele sehr spezielle Techniken. Sie erlernen z. B. die Blindenschrift, in der sie dann auch mathematische Operationen ausführen.
- Den PC steuern sie nicht mit der Maus, sondern durch Tastenkombinationen. Texte können in Punktschrift auf der Braillezeile gelesen werden.
- Bewegung ist für sie mindestens so wichtig, wie für Sehende: Auch im Sportunterricht benötigen sie spezielle Techniken und Anleitungen.
- Es gibt taktile Materialien für den Geografieunterricht (z. B. taktile Landkarten); für den Biologie- und Chemieunterricht (z. B. Tiermodelle oder taktile Modelle für chemische Formeln etc.)
- Erlernen von Rehatechniken (Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF) sowie Orientierung & Mobilität (O & M).
Warum ist es zwingend erforderlich, dass diese Förderung durch Fachkräfte erfolgt?
In vielen Bereichen verwenden, wie oben erwähnt, blinde und sehbehinderte Lernende völlig andere Arbeitsweisen. So gibt es z. B. spezielle Schriftsysteme nicht nur zum normalen Lesen und Schreiben, sondern auch in der Mathematik oder in der Musik. Für Inhalte z. B. der Geometrie oder der Sachfächer werden taktile Darstellungsformen angewendet.
Von einer Regelschullehrerin/einem Regelschullehrer oder auch von einer Förderschullehrerin/einem Förderschullehrer mit einem anderen Schwer-punktfach können diese umfangreichen Spezialkenntnisse nicht erwartet werden. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass nahezu keine Regelschullehrerin oder kein Regelschullehrer die Blindenschrift geschweige denn die spezielle Kurzschrift oder Mathematikschrift oder die Darstellung von chemischen Formeln erlernt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler zahlreiche Spezialtechniken lernen müssen, um in die Lage zu kommen, ihre Begabungen zu entfalten und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die fundierte Vermittlung dieser Kenntnisse kann eine Regelschul-lehrerin/ein Regelschullehrer oder auch eine Förderschullehrerin/ein Förderschullehrer aus einem anderen Förderbereich nicht leisten.
Was fordern wir?
- Damit blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler ein wirkliches Wahlrecht haben, weiter die Schule vor Ort zu besuchen oder die Förder-schule, fordern wir eine bedarfsgerechte Versorgung mit MSD-Stunden. Derzeit kommt auch bei Schülerinnen und Schülern mit wesentlich höherem Förderbedarf weniger als 1 Stunde die Woche an. Dies ist völlig unzureichend.
- Da der Bedarf an MSD-Stunden je nach Grad der Seheinschränkung, dem Alter und der Persönlichkeit des Kindes sehr unterschiedlich sein kann, muss er durch den MSD individuell je Schülerin oder Schüler festgestellt und verbindlich festgelegt werden.
- Speziell bei blinden und sehbehinderten Kindern kann es je nach dem individuellen Förderbedarf zwingend erforderlich sein, dass die spezifisch aus-gebildeten MSD-Lehrkräfte unmittelbar mit dem Kind arbeiten und üben. Schülerinnen und Schüler haben einen Anspruch auf entsprechende Fach-lichkeit, unabhängig davon, welche Form der Beschulung gewählt wird. Während die „Förderung“ der Schülerinnen und Schülern in Art. 21 Abs. 1 BayEUG klar als Aufgabe genannt ist, muss die unmittelbare Förderung in den nachgeordneten Rechtsverordnungen und Regelungen klargestellt werden, um eine bedarfsgerechte Beschulung sicherzustellen.
- Wir fordern, die einschlägigen Gesetze insbesondere das BayEUG und die nachgeordneten Rechtsverordnungen und Regelungen so anzupassen, dass blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche die für sie absolut notwendige Unterstützung sicher erhalten.
Stand: Oktober 2022